Modellhafte Implementierung differenzsensibler und diskriminierungskritischer Arbeit und Strategien als Qualitätsanspruch in der Jugendhilfe
Hintergrund
Jugendhilfe setzt sich mit vielfältigen Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien auseinander. Individuelle Hintergründe und Lebensentwürfe, Lebenslagen und Milieus sind divers und spiegeln eine gesellschaftliche Realität, die von so viel Heterogenität geprägt ist, wie noch nie. Dies führt aber nicht automatisch zu mehr Akzeptanz für unterschiedliche Lebenswelten. Nach wie vor wirken Differenzlinien, die die Definition von Zugehörigkeiten sowie Partizipations- und Entwicklungsmöglichkeiten entscheidend beeinflussen.
Chancen auf eine gute Schulausbildung oder einen erfolgreichen Berufsabschluss gestalten sich verschieden. Differenzlinien können sein, ob jemand
- männlich oder weiblich,
- arm oder reich,
- hell- oder dunkelhäutig,
- in einer Akademiker- oder Arbeiterfamilie groß geworden ist,
- als zugehörig und damit deutsch wahrgenommen wird oder nicht
Abhängig davon können Menschen mehr oder weniger an der Gesellschaft partizipieren, erfahren mehr oder weniger Anerkennung oder Ausgrenzung und können mehr oder weniger Chancen für sich nutzen.
Wir und die "anderen"
Auch unter jungen Menschen sind Bewertungen vermeintlich „anderer“ entlang dieser Differenzlinien häufig, genauso wie die Erfahrung, selbst von Diskriminierung betroffen zu sein. Diese Entwicklungen haben sich im Zuge der Migration seit 2015 sowie der damit verbundenen Diskurse und Polarisierungen noch einmal verschärft. Individuelle und gesellschaftliche Problemlagen werden nicht selten kulturalisiert oder auf den Migrationsaspekt reduziert, ein adäquater lösungsorientierter Umgang, der komplexe Zusammenhänge berücksichtigt und nicht von stereotypen Erklärungsmustern geprägt ist, damit erschwert.
Dies spiegelt sich auch in der Jugendhilfe wider. Zum pädagogischen Alltag in der Jugendhilfe gehört Heterogenität in vielen Facetten. In der Regel finden sich hier die Jugendlichen und Familien, die in irgendeiner Weise Probleme haben oder als problembehaftet etikettiert werden. Jugendliche, die von Jugendhilfeeinrichtungen betreut werden, sind, ebenso wie die Einrichtungen selbst, häufig von Marginalisierung und Stigmatisierung betroffen. Dies wirkt sich auf die Jugendlichen aus und kann sich in geringem Selbstwertgefühl, Aggression gegen sich selbst und andere, Süchten oder durch Faszination für radikale Gruppierungen oder der Abwertung anderer äußern.
Projektfragen
Wie müssen Konzepte und Praxis gestaltet sein, um unterschiedlichen Lebenswelten professionell und frei von Vorbehalten und Zuschreibungen zu begegnen?
Wie müssen sich Organisationen aufstellen, um bewusst individuellen und strukturellen Benachteiligungen und diskriminierenden Verhältnissen entgegenzuwirken?
Und wie müssen sie arbeiten, um auch Jugendlichen selbst die Achtung im Umgang mit Vielfalt zu vermitteln oder sie darin zu unterstützen, ihr Leben selbstbewusst und selbstbestimmt zu gestalten und ihr Recht auf Zugehörigkeit und Anerkennung einzufordern?
Zum professionellen Anspruch von Fachkräften und Einrichtungen gehört, für alle Kinder und Jugendlichen gleichermaßen offen zu sein, sie in ihrer Entwicklung individuell zu fördern, sie vor Benachteiligung und Ausgrenzung zu schützen sowie ihr Recht auf Anerkennung und Nichtdiskriminierung zu verwirklichen. Gleichzeitig gibt es für diesen Anspruch kaum Qualitätsmerkmale.
Projektziele
Das Ziel des Projektes ist die modellhafte Implementierung differenzsensibler und diskriminierungskritischer Arbeit und Strategien im Umgang mit vielfältigen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien als Qualitätsanspruch in der Jugendhilfe. Hierzu soll mit der cts Jugendhilfe GmbH und der Diakonie Saar Fachabteilung Kinder – Jugend – Familie als maßgebliche Jugendhilfeträger des Saarlandes kooperiert werden. Durch Schulungen, modellhafte Prozessbegleitungen und die Implementierung erprobter Strategien und Maßnahmen sollen Strukturen geschaffen werden, die auch nach der Förderzeit nachhaltig als Qualitätsfaktoren und -anspruch im Umgang mit Vielfalt und Diskriminierung gesetzt und weiterverfolgt werden. Damit sollen Modelle entwickelt werden, die auch über diese beiden Träger hinaus auf Jugendhilfestrukturen übertragbar sind.